Über Rasmus Hirthe

Rasmus Hirthe

Rasmus Hirthe wurde 1971 in Hamburg geboren.
Von 1996 bis 2004 studierte er Freie Kunst und Visuelle Kommunikation (Schwerpunkt Film) an der Hochschule für bildende Künste Hamburg und erhielt dort 2004 sein Diplom.
Seit 1996 werden seine Arbeiten regelmäßig im Rahmen von Ausstellungen gezeigt.

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„Die Betrachtung der Arbeiten von Rasmus Hirthe bedarf keiner Belehrung, diese Anleitung zum vertieften Sehen soll den Blick jedoch leiten und sensibilisieren.

In Bezug auf Form, Kolorit und Thema hat Rasmus Hirthe seinen Weg konsequent verfolgt: In den Nichtfarben Schwarz und Weiß setzt er in gegenständlicher Manier Menschen in Freizeitsituationen ins Bild. Durch diese Stringenz hat er sich ein Alleinstellungsmerkmal geschaffen, eine hohe Wiedererkennung, an der sich seine künstlerische Qualität bemisst. Ein ernsthafter Künstler sollte dringend seine eigene Handschrift entwickeln anstatt sich mit jedem stilistischen Schnupfen zu infizieren und zwischen unterschiedlichen Malweisen zu changieren.

Was schließt die Bilder Hirthes konzeptionell zusammen, wo verläuft der rote Faden? Es ist die Übertragung von Freizeitgeschehen in die Malerei. Angler sitzen entspannt in ihren Booten, Wanderer genießen die Weite des Watts, Spaziergänger schlendern gelöst durch die Stadt – beim Betrachten vermitteln all diese Darstellungen eine tiefe Ruhe. Dabei beobachtet der Maler eine Situation ganz genau, um dann den ihm perfekt erscheinenden Moment für die Bildfindung zu nutzen. Er zeigt den Charme des Alltäglichen, aber durch die Überführung des Episodischen in die Überzeitlichkeit der Malerei sind seine Bilder ein Plädoyer für bewusstes Erleben und Nachhaltigkeit.
Die Verbildlichung des Spontanen und die Konzentration auf lockere Handlungen transportieren eine spielerische Leichtigkeit. Als Betrachter kann man nicht feststellen,
ob die Bildfindung vom Zufall geleitet oder durch kompositorisches Kalkül bestimmt ist. Tatsächlich bedient der Maler sich nicht einer vorgefundenen Situation, sondern er ordnet sie auf eine bestimmte Wirkung zielend an, wie er es für stimmig hält: Er collagiert erinnerte Momente, aus verschiedenen Eindrücken entsteht eine neue, von ihm bestimmte Harmonie. Dabei ist die Beziehung von Menschen in der Bildanlage besonders wichtig. Rasmus Hirthe stellt Verbindungen zwischen Einzelnen und Gruppen her. Durch die langen Schatten werden manche hervorgehoben, andere miteinander verwoben. Die Vernetzung der Gestalten untereinander und mit ihrer Umgebung ruft unverhohlene Lebensfreude und Spaß am laissez faire hervor. Entspannt flanieren die Menschen durch städtischen oder ländlichen Raum.

Auffällig ist das Fehlen individueller Züge. An Gesichtern soll sich unser Blick nicht festlegen, unser Urteil nicht bilden. Rasmus Hirthe versteht es, Personen durch ihre Bewegungen zu charakterisieren. Die Konzentration auf die Kontur, das schnelle und sichere Erfassen der Silhouette hat er während seines Studiums beim Aktzeichnen gelernt. Als künstlerische Mittel dienen ihm dazu die Überlängung von Gliedmaßen und die Überbetonung der Schatten. Er akzentuiert, reduziert und verfremdet die menschliche Gestalt, wobei er sich formal immer im Bereich der Gegenständlichkeit bewegt.

Ein offensichtliches Wiedererkennungsmerkmal der Malerei Rasmus Hirthes ist seine Palette in Kombination mit dem groben Malgrund. Er arbeitet auf Sackleinen
und Jute, die er auf dicke Keilrahmen spannt. Bei der künstlerischen Zielsetzung spielt die Wahl des Bildträgers eine wichtige Rolle, denn sie beeinflusst die Farbwirkung. So entfalten die Malmittel, die in vielen Schichten in den Bildträger eingesickert sind, eine Haptik, die das Motiv in den Raum treten lässt, so dass man meint, selbst im Watt zu stehen.

Betrachten wir das Kolorit, so scheint es zunächst auf Nichtfarben beschränkt. Schwarz/Weiß- Malerei legt
in sprichwörtlichem Gebrauch scharfe Trennungen nahe und fordert Eindeutigkeit. Es gelingt dem Maler jedoch Farbigkeit zu suggerieren, indem er sehr helles Licht in scharfe Kontraste überträgt. Ein Farbklang entsteht durch den dicken Auftrag der Materialschichten auf den grob gewebten Grund, der Licht durchscheinen lässt und so dem Bild Leuchtkraft verleiht. Welches Kolorit durch dieses geheimnisvolle Changieren entsteht, wird vom Betrachter subjektiv wahrgenommen – jeder entdeckt für sich seine individuelle Farbigkeit. Als ich den Maler selbst zu Beginn unserer gemeinsamen Arbeit nach seiner konzentrierten Palette befragte, reagierte er ganz überrascht: ‚Für mich sind meine Bilder bunt‘.

Rasmus kann Schwarz zum Leuchten bringen, durch Nichtfarbe ein schimmerndes Kolorit erzeugen und mit seiner unbändigen Freude am Malen den Betrachter mitreißen.“

Viola Stohwasser-Gerdsen M. A.,
September 2017